Das Motto «Zu Tisch» der diesjährigen Denkmaltage vom 13. und 14. September hat die Redaktion von Kunst + Architektur in der Schweiz dazu angeregt, sich eingehender mit Themen rund um den Weinbau und seine Kultur zu beschäftigen. Dabei geht es nicht nur um das reiche architektonische Erbe von Weingütern, sondern auch darum, wie der Weinbau ganze Kulturlandschaften und insbesondere Terrassenlandschaften geprägt hat. Wir illustrieren das mit Fotografien aus unterschiedlichen Weinbaugegenden der Schweiz im Bildessay oder im Gespräch mit Raimund Rodewald, Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Es ist gar nicht so lange her – seit den 1980er-Jahren nämlich –, dass man den hohen ästhetischen Wert dieser aussergewöhnlichen Landschaftsformen erkannte, ihre Zerstörung stoppte und sie glücklicherweise auch zu schützen begann. Voraussetzung dafür ist, auch die Wahrnehmungsfähigkeit für diese Natur- und Kulturmonumente zu schulen – genauso wie wir das gebaute Kulturerbe wertschätzen. Oder um es mit den Worten des obersten Landschaftsschützers auszudrücken: «Ohne diese ästhetische Nachfrage ist eine positive Landschaftsentwicklung kaum möglich.»
Dossier 1
Paul Bissegger
Variations sur Wein, Weib und Gesang
Grandes demeures vigneronnes à La Côte
Zusammenfassung
Variationen zu Wein, Weib und Gesang: die herrschaftlichen Winzerhäuser der Region La Côte
Die Gegend von La Côte hat ihre grosse Anziehungskraft nicht nur auf die Vertreter der Berner Regierung ausgeübt, die das Waadtland ab 1536 beherrschten und verwalteten, sondern auch auf die soziale Elite der Waadt und von Genf. Es gehörte damals zum guten Ton, ein Herbsthaus zu besitzen, das man vorwiegend zur Zeit der fröhlichen Weinlese bewohnte, die von zahlreichen Festen und Empfängen unter Freunden geprägt war. Architektur, Ausstattung und Mobiliar dieser Wohnsitze sind weitgehend erhalten geblieben und Bestandteil des Waadtländer Kulturschatzes. Um diese Weinbaulandschaft mit ihrem architektonischen Kulturerbe am Leben zu erhalten, muss sie jedoch wirtschaftlich genutzt werden können. Leisten wir also unseren Beitrag dazu, und geniessen wir unsere ausgezeichneten Schweizer Weine!
Dossier 2
Stefan Sonderegger
Wein und Prestige für Städter
Rebbau und repräsentative Landsitze im St. Galler Rheintal
Zusammenfassung
Der Weinbau hat in der Schweiz eine bis ins Frühmittelalter zurückreichende Tradition. Klöster und Adlige liessen ihre Reben von Bauern gegen Abgaben bewirtschaften. Seit dem 14. Jahrhundert förderten auch Bürger und städtische Institutionen in Zusammenarbeit mit lokalen Bauern den Weinbau im Stadtumland. Das St. Galler Rheintal beispielsweise wurde zur Weinversorgungsregion von Stadt und Region St. Gallen. Damit einher ging eine besondere Bautätigkeit: Vom 15. bis 18. Jahrhundert kauften wohlhabende Stadtsanktgaller Handelsfamilien Rebberge und bauten dort schlossähnliche Landsitze. Beispiele wie Schloss Greifenstein in Thal und Weinstein in Marbach zeigen, wie diese reformierte städtische Oberschicht ihre Landsitze zur gesellschaftlichen Repräsentation, aber auch als Kapitalanlage und zur Versorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen nutzte. Dies führte oft zu sozialen Spannungen mit der katholischen Landbevölkerung.
Dossier 3
Andreas Gottlieb Hempel
Architektur und Wein im Bündner Rheintal
Eine fruchtbare Symbiose mit Tradition
Zusammenfassung
Zeitgenössische Architektur und Weinbau gehen in Graubünden eine gelungene Symbiose ein. Ein klösterliches Dokument aus dem Jahre 744 belegt erstmals die Weinbautradition seit Römerzeiten im Bündner Rheintal. Wurde früher überwiegend die weisse Sorte Completer angebaut, so führte der Import von Reben aus der Côte d’Or im 17. Jahrhundert dazu, dass der Blauburgunder die besten Ergebnisse dieser Sorte in der Schweiz erbrachte. In dem kleinen Gebiet von nur 420 ha werden aber auch weitere Sorten wie Chardonnay, Weiss- und Grauburgunder und Riesling x Sylvaner erfolgreich angebaut. Unerreicht jedoch bleibt der vor allem im Barrique sorgfältig vinifizierte Blauburgunder. Er ist so begehrt, dass er ausserhalb der Schweiz kaum zu erhalten ist. Zur hohen Qualität der Weine haben sich in den letzten Jahren erstklassige Architekturen der Weingüter gesellt. Wir stellen in unserem Beitrag fünf davon vor: das Scadenagut in Malans und die Weingüter Davaz, Gantenbein, Adank und Marugg in Fläsch.
Interview | Interview | Intervista
Angelica Tschachtli
Eine Krypta für den Wein
Zusätzlich zu den Weingütern in Argentinien, Australien und den USA besitzt der Unternehmer Thomas Schmidheiny auch eine Produktionsstätte in Heerbrugg im Rheintal – direkt neben seinem Elternhaus. Mit der Zupacht der zehn Hektaren umfassenden Rebberge in Rapperswil-Jona am Zürichsee war 2009 ein Ausbau nötig. Architekt Urs Spirig von Hautle + Partner AG erläutert die Herausforderung dieser Bauaufgabe.
Dossier 4
Ottavio Lurati
Vendemmia e… festa a Lugano
Coesione tra confederati
Zusammenfassung
Traubenlese – Festzeit in Lugano
Mit der Erntezeit und der Weinlese beginnt vielerorts und in ganz unterschiedlichen Kulturen eine Zeit der Volksfeste. So auch in Lugano, im Tessin. Die Vendemmia bietet Gelegenheit zum Feiern und bringt alte und junge Erntearbeiter, Traubenleserinnen und die ortsansässige Bevölkerung zusammen. In der Schweiz haben diese Feste besonders in der Romandie und im Tessin eine grosse Bedeutung. Sie sind oft patriotisch gefärbt und ermöglichen das gemeinsame Feiern von Menschen verschiedenster Herkunft – darausergeben sich Begegnungen, die von einer besonderen Spontaneität und Herzlichkeit geprägt sind, die heute leider immer seltener wird.
Dossier 5
Anne-Laure Juillerat et Christian de Reynier
Le pavillon des Bugnons à Colombier et les « cabinets » du Vignoble Neuchâtelois
Un trait d’union entre la vigne et l’architecture de prestige aux XVIIIe et XIXe siècles
Zusammenfassung
Der Pavillon der Bugnons in Colombier und die «Cabinets» in den Neuenburger Weinbergen
Seit dem 16. Jahrhundert, vor allem jedoch im 18. und 19. Jahrhundert, erstellte die neue wirtschaftliche Elite von Neuenburg in den Rebbergen, ausserhalb der gewachsenen Ortschaften, herrschaftliche Residenzen. Dabei wurden exponierte Stellen der Landschaft insbesondere für den Bau von Aussichtspavillons, den «Cabinets», wie sie in dieser Gegend genannt werden, genutzt. Diese befanden sich in mehr oder weniger grosser Entfernung vom zugehörigen Herrschaftshaus. Zu den wertvollsten Bauten dieser Art gehört zweifellos der Pavillon des Bugnons in Colombier, der nach intensiven Studien 2009 vollständig restauriert wurde. Der Pavillon wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von einer reichen Indienne-Fabrikantenfamilie, die selbst auch Reben besass, vollständig aus Bruchstein errichtet. Das Innere des Gebäudes wurde später – möglicherweise in mehreren Etappen – mit einer Trompe-l’OEil-Malerei ausgestattet, die eine goldfarbene, metallene Gartenlaube mit Ausblicken auf eine vielfältige Landschaft darstellt. Die im Stil des italienischen Trompel’ OEil gestaltete Malerei, die in der Westschweiz in den 1830er-Jahren ihren Höhepunkt erlebte, könnte auch von der beruflichen Tätigkeit des Bauherrn beeinflusst worden sein, der in seinen Manufakturen zur Ausschmückung der Indiennestoffe, die damals hauptsächlich für den italienischen Markt bestimmt waren, professionelle Zeichner beschäftigte.
Interview | Interview | Intervista
Melchior Fischli
Weinlandschaften
Der Weinbau hat nicht nur ein reiches architektonisches Erbe geschaffen, sondern war seit Jahrhunderten ein wesentlicher Faktor für die Gestalt der schweizerischen Kulturlandschaft. Am deutlichsten kommt diese Rolle in den Terrassenlandschaften zum Ausdruck. Raimund Rodewald spricht im Interview über deren Geschichte und über die Fragen, die sich heute im Umgang mit diesen Landschaften stellen.
Focus
Isabel Haupt, Franziska Schärer (Mitarbeit)
«Daß dieses Zimmer nichts Heiliges in sich hat»
Profanes Bildprogramm im Kloster Fahr freigelegt
Das Kloster Fahr ist nicht nur eine Aargauer Exklave im Kanton Zürich, das Benediktinerinnenkloster liegt seit dem 16. Jahrhundert auch inmitten reformierter Gebiete. Dass man hierauf Rücksicht nahm, zeigen im Zuge der laufenden Gesamtrestaurierung neu entdeckte Malereien, die eine Stuckdecke aus dem Jahr 1756 bereichern.
Focus
Simon Baur
Zum Teufel mit der Autorschaft?
Ein aktuelles Beispiel aus Österreich zeigt den problematischen Umgang mit Urheberund Autorenrechten: Ein Neubau verunstaltet die Nachtwallfahrtskapelle Locherboden in Mötz bei Innsbruck, die 1999 ausgezeichnet wurde.
Impressum | Impressum | Colophon
Preis: CHF 25.00
Preis für GSK Mitglieder: CHF 20.00
Abbildungen: 120
Seitenzahl: 80
Reihe: Kunst + Architektur
Orte / Gemeinden: Schweiz / Suisse / Svizzera
Autoren: Diverse
Artikelnummer: K+A 2014.3
Inhaltssprache: Deutsch, Französisch, Italienisch
Erscheinungsdatum: 01.09.2014
ISBN: 978-3-03797-130-7
Verlag: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte