k+a 2014.4: «Rathäuser»

Beschreibung:

Die Baukultur von Stadthäusern, Rathäusern und Regierungsgebäuden in allen Landesteilen der Schweiz offenbart eine grosse künstlerische Vielfalt: Verspielte architektonische Details, bildhauerischer Schmuck, farbenprächtige Wandgemälde und handwerklich reiches Mobiliar sind beeindruckend. Die Pracht der Gestaltung macht viele dieser Bauten zu Gesamtkunstwerken. In manchen dieser Kunstwerke – wie etwa im Rathaus Basel – wird die Geschichte von «Heilserwartung und vom Lob der Vernunft» eindrücklich illustriert. An diesen prägnanten «öffentlichen Räumen» wird die gewachsene Identität des Staatswesens anschaulich erlebbar – gerade auch in den verändernden Eingriffen, Umgestaltungen und Sanierungen, die in einigen Beiträgen dieses Hefts eingehender beleuchtet werden. So zeigt sich in den Anfang des 20. Jahrhunderts im Rathaus Rheinfelden angebrachten Wandgemälden des Basler Malers Paul Altherr eine Fortsetzung und moderne Interpretation traditioneller Fassadenmalereien. In Bern wiederum ist der von 1942 bis 1944 realisierte Umbau des Rathauses aus dem 15. Jahrhundert Ausdruck der Geistigen Landesverteidigung. Auch Beispiele subtilerer Eingriffe zeigen, dass der Charakter mancher Bauten dadurch nachhaltig verändert wurde.

 

Essay | Essai | Saggio
Sascha Köhl
Bundestreu, introvertiert und bescheiden
Die Rathäuser der Eidgenossen um 1500

Zusammenfassung
Wie in ganz Europa erfuhr auch in der Schweiz der Rathausbau um 1500 eine ungekannte Konjunktur, angestossen durch die in die Neuzeit weisenden Entwicklungen der politischen Repräsentationskultur. Auch wenn sich die hiesigen Rathäuser, entsprechend dem föderativen Charakter der Eidgenossenschaft, äusserst vielgestaltig präsentieren, so weisen sie eine Reihe verbindender Merkmale auf: Erstens die Demonstration der Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft, insbesondere mittels der Standesscheiben; zweitens eine introvertierte Haltung, insofern vor allem die Ratsstube als Machtzentrum ausgestaltet und inszeniert wurde; und drittens, komplementär dazu, die bescheidene äussere Gestalt, die kaum auf die aussergewöhnliche Machtposition des darin tagenden Ratsregiments schliessen lässt. Wenn andernorts hingegen weit prachtvollere Rathäuser erbaut wurden, dann auch deshalb, weil politische Architektur weniger Spiegel realer Verhältnisse als Projektionsfläche von Wunsch- und Idealvorstellungen ist.

 

Dossier 1
Sonja Hildebrand
Ein Symbol des «freien Menschentums»
Gottfried Sempers Stadthaus Winterthur

Zusammenfassung
Gottfried Sempers 1863/64 geplantes und bis 1870 ausgeführtes Stadthaus Winterthur ist im Rathausbau ohne Parallele. Mit seinem Entwurf reagierte Semper auf die politische Ausrichtung der Gemeinde unter dem mit ihm befreundeten Stadtpräsidenten Johann Jakob Sulzer, der für Winterthur eine Führungsrolle bei der demokratischen Erneuerung des Kantons beanspruchte. Sempers reagierte darauf mit einem symbolisch aufgeladenen Bau, in dem sich der tempelartige Gemeindesaaltrakt und der Querriegel des Stadtratsgebäudes kreuzweise durchdringen. Das Stadthaus ist ein in seiner konzeptionellen Stringenz herausragender Bau. Wie vielleicht kein zweites Werk erlaubt es engste Bezüge zu Sempers theoretischen Konzepten. Die aussergewöhnliche Konsistenz von Theorie, politischen Rahmenbedingungen und Praxis bot die Grundlage für die erfolgreiche Implementierung des ikonischen Baus in sein städtisches Umfeld.

 

Dossier 2
David Ripoll
Des châteaux en Espagne
Projets pour un hôtel municipal à Genève (XIXe-XXe siècles)

Zusammenfassung
Luftschlösser – Projekte für ein Stadthaus in Genf (19./20. Jahrhundert)
Seit der Gründung der unabhängigen Gemeinde Genf im Jahr 1842 waren die Gemeindebehörden nie in einem speziell zu diesem Zweck erbauten Gebäude untergebracht. Die Stadt musste sich mit Gebäuden, die ursprünglich für andere Verwaltungen vorgesehen waren, oder mit Privathäusern begnügen. Neben den Schwierigkeiten, die mit den Umnutzungen verbunden waren, hatte diese Praxis stets auch ein Imageproblem zur Folge. Für den Sitz der Stadtbehörden stellte sich natürlich die entscheidende Frage, ob das repräsentativste Gebäude der Stadt nicht auch per Definition eine monumentale Bestimmung hat. Sollte es nicht Ausdruck seiner Funktion sein und darüber hinaus die eigentliche Verkörperung der Institution darstellen? In Genf wurde oft über den Bau eines Gemeindehauses diskutiert, insbesondere zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wirtschaftliche Schwierigkeiten und politische Streitigkeiten verhinderten jeweils die Konkretisierung der Projekte.

 

Dossier 3
Cristina Sonderegger
L’apparato decorativo di Palazzo Civico a Lugano
La declinazione di un’idea politica

Zusammenfassung
Bildhauerischer Schmuck des Rathauses von Lugano
Unter den am reichsten ausgestatteten Profanbauten des Kantons Tessin stellt der Palazzo Civico (1843/44) von Lugano eines der besten Beispiele dar, um aufzuzeigen, wie im 19. Jahrhundert Macht inszeniert wird. Sie konkretisiert sich in Gestalt einer klassizistischen Anlage mit einer dekorativen Ausstattung, die republikanische Werte und bedeutende Persönlichkeiten der Vergangenheit zelebriert. Die Ikonographie des Figurenzyklus an der Fassade wurde von Giacomo Moraglia, einem Mailänder Architekten, konzipiert, der auch für das Gesamtprojekt verantwortlich zeichnet. Die Ausführung der Figuren wurde indessen den Bildhauern Francesco Somaini (Eintracht, Stärke, Religion und Freiheit; Legislative und Exekutive), die Umsetzung der Reliefs Lorenzo Vela (Künste und Handel) übertragen. Auf den Entwurf von Moraglia sind auch die Grossfiguren im Vestibül zurückzuführen, die berühmte Persönlichkeiten des Kantons wie Giocondo Albertolli, Giuseppe Maria Luvini, Giovanni Francesco Soave und Domenico Fontana darstellen; sie wurden von Giovanni Labus, Vincenzo Vela, Giovanni Pandiani und Antonio Galli ausgeführt.

 

Interview | Interview | Intervista
Angelica Tschachtli
«Ein Parlamentsbau muss auch Widersprüchlichkeiten vereinen»

Die Kunsthistorikerin Anna Minta beschreibt, wieso das anfänglich bewusst bescheiden gestaltete Bundes-Rathaus zu einem reich ausgestatteten Parlamentsgebäude werden konnte. Im Gespräch vergleicht sie es mit dem amerikanischen Kapitol, erläutert die Bedeutung der Kuppel und fragt sich, ob das schweizerische Bundeshaus für jüngere Generationen attraktiv ist.

 

Dossier 4
Melchior Fischli
Demonstrationen kommunaler Tradition
Historisierende neue und restaurierte alte Rathäuser in Bellinzona, Bern und Aarau

Zusammenfassung
Über die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts boten Rathäuser eine Bauaufgabe, die man gerne zur Demonstration der eigenen Lokalidentität im Medium der Architektur nutzte, sei es mit historisierenden Restaurierungen, mit der Inszenierung «echter» historischer Akzente innerhalb eines ansonsten erneuerten Baus oder auch mit Neubauten, die dem bestehenden Stadtbild «angepasst» waren. Nachdem in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts Projekte von geradezu städtebaulichen Ausmassen zu beobachten sind, beschränkten sich die Eingriffe ab den 1920er-Jahren in der Regel auf den einzelnen Bau. In Bellinzona realisierte der Architekt Enea Tallone in den Jahren 1924/25 einen historisierenden Neubau, der nicht nur eine lokale, sondern auch eine spezifisch tessinische Identität zum Ausdruck bringen sollte. In Bern inszenierte der Architekt Martin Risch das im 15. Jahrhundert erbaute Rathaus zwischen 1942 und 1944 mit einem weitgehenden Umbau als ein eigentliches Denkmal der Geistigen Landesverteidigung. Dem Beispiel dieses Umbaus folgend wurde einige Jahre später das Rathaus von Aarau mit einer Reihe von Eingriffen umgestaltet, die im einzelnen etwas weniger weit gingen, den Charakter des Baus aber dennoch grundsätzlich veränderten.

 

Dossier 5
Martin Möhle
Das Basler Rathaus
Heilserwartung und Lob der Vernunft

Zusammenfassung
Der 1514 vollendete Neubau des Basler Rathauses verschaffte dem Basler Rat einen repräsentativen Auftritt in der Stadt. Mit der Fassadenmalerei, die im 16. Jahrhundert auch in Basel einen ungekannten Aufschwung erlebte, wurden Räte und Bürger direkt adressiert. Dabei sind drei Phasen zu unterscheiden, die sich mit den Malerpersonen Hans Franck, Hans Holbein d. J. und Hans Bock d. Ä. verknüpfen lassen. Von einer endzeitlichen Heilserwartung wandelten sich die Themen in ein «Lob der Vernunft» im Sinne von Thomas Morus‘«Utopia», das auch im frühen 17. Jahrhundert mit traditionellen Gerechtigkeitsbildern angestimmt wurde. Von diesen besitzt das Basler Rathaus einen ausserordentlichen Reichtum.

 

Dossier 6
Roland Frischknecht
Zauberformel in der Architektur
Stadthaus Uster (1955–1962) von Bruno Giacometti

Zusammenfassung
Das Stadthaus Uster (1955–62) von Bruno Giacometti ist ein herausragender Beitrag der Nachkriegsmoderne zum CIAM-Leitbild des Stadtzentrums. Die Vereinigung der Gebäudevolumen zu einer T-förmigen Grundrissform mit der vertikalen Dominante eines Hochhauses akzentuiert die Arealmitte und ermöglicht die Anordnung einer Piazza und einer Grünanlage. Die zweigeschossige Schalterhalle im Kreuzungspunkt der T-Form symbolisiert das Zusammenwirken der Verwaltungsabteilungen im Dienste der Bevölkerung. Die Hochhaus-Typologie steht in der Tradition der europäischen Ratshausarchitektur. Die der Bauaufgabe entsprechende repräsentative Ausdrucksform wird durch eine dem Eisenbetonskelett vorgehängte Fassade aus Travertin erreicht. Traditionelle Materialien wie Naturstein und Eichenholz bestimmen die Raumatmosphäre, die wie bei Alvar Aalto primär die menschlichen Sinne anspricht. Die Verwendung des Modulor zeugt vom Einfluss Le Corbusiers. Die von Giacometti entworfenen Möbel und Einbauten werden als architektonische Elemente behandelt. Städtebau, Architektur, Raumgestaltung und Kunst bilden eine innere Einheit, die dem Stadthaus den Charakter eines Gesamtkunstwerks verleiht.

 

Dossier 7
Isabel Haupt
«ohne die früher beliebte Altertümelei»
Der Umbau des Rheinfelder Rathauses in den Jahren 1908 bis 1911 durch Curjel & Moser

Zusammenfassung
Das renommierte Architekturbüro Curjel & Moser realisierte unter der Federführung von Karl Moser von 1908 bis 1911 den Umbau des Rathauses in Rheinfelden. Moser setzte sich dabei für die Erhaltung der wertvollen historischen Teile wie der Ratsstube oder des Turms ein. Er nutzte dabei moderne Konstruktionsmethoden und Materialien wie z. B. Eisenbeton, die er aber nicht inszenierte, sondern dem Gesamteindruck unterordnete. Der Umbau ist aber mehr als ein charakteristisches Beispiel für die Denkmalpflegebestrebungen vor dem ersten Weltkrieg. Denn auf Mosers Anregung hin wurden im Innenhof moderne Kunstwerke verwirklicht. Der Münchner Bildhauer Karl Killer schuf eine Portalskulptur, eine Brunnenfigur und einen Treppenanfänger. Der Basler Maler Paul Altherr verwirklichte zwei Wandgemälde, wobei besonders die monumentale Darstellung der Schlacht bei Sempach die Tradition der Fassadenmalerei in Rathäusern aufnimmt und in die Moderne übersetzt.

 

Dossier 8
Denis Decrausaz
Montrer le pouvoir
Les hôtels de ville du XVIIIe siècle dans le Pays de Vaud

Zusammenfassung
Die Waadtländer Rathäuser des 18. Jahrhunderts
Die Architektur öffentlicher Bauten im Waadtland erlebte im 18. Jahrhundert eine Blütezeit, von der namentlich die Rathäuser zeugen. Die gelegentlich mit monumentalen Brunnen verbundenen Gebäude sind mehrheitlich an den Marktplätzen gelegen und stellen das eigentliche Zentrum für Wirtschaft, Politik und Gerichtsbarkeit von Städten und Marktflecken dar. Sie sind das Wahrzeichen einer in Gemeinden organisierten Gesellschaft und widerspiegeln die kulturellen und politischen Veränderungen ihrer Zeit. Sie verfügen über komfortable Einrichtungen und Ausstattungen, die den neuen Prunkbedürfnissen der bürgerlichen Elite entsprachen. Die von Beispielen der französischen Klassik inspirierten Bauten weisen sorgfältig ausgeschmückte Fassaden mit kulturgeschichtlichen und aristokratischen Anspielungen auf. Vor allem jedoch sind sie die Illustration des Stolzes dieser Eliten, die sehr auf ihre Vorrechte und herrschaftliche Würde bedacht waren.

 

KdS | MAH | MAS
Die Kunstdenkmäler der Schweiz präsentieren sich in neuem Kleid
«Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht mehr nach ihr zu haschen.» 100 Jahre nach dem zum Mythos avancierten Tagebucheintrag Paul Klees anlässlich seiner «Tunisreise», im April 1914, brauchen nun auch die «schwarzen Bände» nicht mehr nach der Farbe zu «haschen». Die Farbe hat sie.

 

KdS | MAH | MAS
Zwischen den Extremen: der Bezirk Waldenburg
Feierliche Präsentation des 124. KdS-Bandes und der gestalterischen Neukonzeption.

 

KdS | MAH | MAS
Vielfältige und reiche Kulturlandschaft: die Gemeinden «Rund um Kreuzlingen»
Der 8. Thurgauer Band der Reihe «Die Kunstdenkmäler der Schweiz» wird in Ermatingen der Öffentlichkeit vorgestellt.

 

KdS | MAH | MAS
Im Spannungsfeld neuer Medien «Kunsttopografie am Oberrhein»
Trinationale Tagung, 17.–18. April 2015

Vitra Campus, Weil am Rhein/D
Novartis Campus, Basel

 

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Preis: CHF 25.00
Preis für GSK Mitglieder: CHF 20.00
Abbildungen: 135
Seitenzahl: 104
Reihe: Kunst + Architektur
Orte / Gemeinden: Schweiz / Suisse / Svizzera
Autoren: Diverse
Artikelnummer: K+A 2014.4
Inhaltssprache: Deutsch, Französisch, Italienisch
Erscheinungsdatum: 17.12.2014
ISBN: 978-3-03797-131-4
Verlag: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte

Bestellungen: über Webshop (www.gsk.ch) oder Buchhandel