Botanische Gärten sind Rückzugsorte inmitten lärmiger Städte, Paradiese für exotische und heimische Pflanzen, Archive des Lebendigen und Orte, «wo sich Natur, Kunst und Wissenschaft angeregt unterhalten», wie es der Amsterdamer Kunst- und Kulturhistoriker Erik A. de Jong im Gespräch mit Kunst+Architektur in der Schweiz ausdrückt. Wir beleuchten das Thema wie jedes Jahr in unserer Herbstausgabe mit Bezug auf die Europäischen Tage des Denkmals, die am Wochenende des 10./11. September 2016 in der gesamten Schweiz mit dem Thema «Oasen» bestimmt wieder Tausende Besucherinnen und Besucher in ihren Bann ziehen werden. Im aktuellen k+a begeben wir uns auf eine Reise von den mittelalterlichen Kloster- und Medizinalgärten über die Landschafts- und Alpengärten bis hin zu den botanischen Gärten von heute. Dabei geht es um mehr als nur um «inszenierte» Natur, nämlich um Rückzugsorte und Freiräume inmitten zunehmender Verdichtung – was die existenzielle Rolle dieser speziellen Oasen deutlich macht. Dass im Zeitalter der Webarchive zudem die unmittelbare Begegnung mit dem Lebendigen und seine künstlerische Ausformung sehr bereichernd sein können, ist auch nicht zu unterschätzen.
Dossier 1
Johannes Stoffler
Der Garten der Alten Universität in Basel
Vom Hortus medicus zum neuen Lustgarten
Zusammenfassung
Am Fusse des Münsterhügels in Basel, zwischen Rheinsprung und Ufer, liegt versteckt ein bescheidenes Gärtchen mit einer illustren Geschichte. Es ist der Garten der Alten Universität Basel, ab 1589 als Hortus medicus durch Caspar Bauhin (1560–1624) angelegt. Einst war er einer der ersten botanischen Gärten Europas und im 18. Jahrhundert Lustgarten der Patrizierfamilie Sarasin. Nach einer Phase der Vernachlässigung soll die Anlage bald wieder von ihrer Herkunft berichten: Mit dem Pavillon, einem Wasserbecken und Pflanzbeeten erhält die oberste Terrasse wieder einen Teil der Attraktionen des Lustgartens zurück. Im Jahr 2017 wird der neue Garten der Öffentlichkeit übergeben und als Teil der Abfolge historischer Terrassengärten am Münsterhügel wieder erlebbar sein.
Dossier 2
Roland Frischknecht, Anna Joss, Silvia Steeb
Der neue Botanische Garten in Zürich
Symbiose aus Architektur und Landschaft
Zusammenfassung
Der neue Botanische Garten ist ein wichtiger Zeuge der Hochschularchitektur der Nachkriegszeit. Mit den präzise auf die Landschaft abgestimmten, baukünstlerischen Gestaltungselementen ist er vom Werk Alvar Aaltos inspiriert. Unter dem Einfluss der Popkultur der 1970er-Jahre wird die Architektur in eine von gesellschaftlichen Regeln und Normen befreite, eigenständige Ausdrucksform überführt. Davon zeugt auch die neuartige Typologie der kuppelartigen Schauhäuser. Auch die Parkanlage zeigt herausragende Entwurfsqualitäten. Geschickt gelingt es den Landschaftsarchitekten, die Grundstrukturen des ehemaligen Landschaftsgartens in abstrahierter Form zu erhalten und zugleich die Anforderungen des Botanischen Gartens an Forschung, Lehre, Bildung und Erhalt der biologischen Vielfalt in zeitgenössischer Form zu integrieren. Die einzigartige Verschmelzung von Architektur, Landschaft und Kunst verleihen der Anlage den Charakter eines Gesamtkunstwerks.
Dossier 3
Guido Maspoli
Il Parco botanico delle Isole di Brissago
Dalla genesi al presente
Zusammenfassung
Der Botanische Garten auf den Isole di Brissago – einst und heute
Die Wurzeln des Botanischen Gartens sind in den Gedanken und Spuren seiner früheren Besitzer zu suchen. 1885 erwarben Antoinette und Richard St. Léger die Inseln und verwandelten sie in einen exotischen Park. Antoinette, in Sankt Petersburg als uneheliche Tochter von Zar Alexander II. und Wilhelmine Bayer geboren, war Tänzerin am Hof, während Richard Fleming St. Léger einer alten irischen Familie entstammte. Die bis anhin nicht kultivierten Inseln verfügten über ein günstiges Klima, aber es erforderte ein ganzes Jahrzehnt, bis der Park Formen annahm, und das Resultat war überraschend. 1927 wurde der Besitz an den vermögenden deutschen Kaufmann Max Emden veräussert, der den Wohnsitz der St. Léger abbrach und die mächtige klassizistische Villa errichtete, welche die Ansicht noch heute prägt. 1949 erwarb der Kanton Tessin die Brissago-Inseln und machte daraus seinen Botanischen Garten. Dieser entwickelte sich sowohl zur wissenschaftlichen Institution als auch zur bedeutenden Touristenattraktion für das Gebiet um Locarno.
Dossier 4
Karl Schmuki
Zwei Monumente des frühmittelalterlichen Gartenbaus aus dem Bodenseeraum
Der St. Galler Klosterplan und der Hortulus des Walahfrid Strabo
Zusammenfassung
Die Geschichte des mitteleuropäischen Gartenbaus im frühen Mittelalter bis zum Jahr 1000 wird wesentlich durch zwei Dokumente aus dem Bodenseeraum geprägt. Auf dem berühmten, zwischen 819 und 830 im Inselkloster Reichenau gezeichneten karolingischen Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen sind vier Gärten eingezeichnet, in denen gesamthaft gegen 50 verschiedene Gewächse (Kräuter, Heilpflanzen, Gewürzpflanzen, Gemüsepflanzen Bäume, Sträucher) angepflanzt werden sollten. Im zweiten singulären Monument karolingischer Gartenbaulehre, im Gartengedicht Hortulus, beschreibt der Reichenauer Gelehrte Walahfrid Strabo († 849) in 444 wohlausgeformten Versen 23 Pflanzen aus dem Gärtchen der Reichenau in ihrem Aussehen und ihren vielfältigen Anwendungen. Die Autoren beider Dokumente stützten sich dabei auf die Pflanzenliste, die anzubauen Karl der Grosse um 800 am Ende seines Capitulare de villis anordnete. Sowohl die Klosterplan-Gärten als auch der Inhalt des Hortulus fliessen in die Gestaltungspraxis heutiger klösterlicher Gartenanlagen ein.
Interview | Interview | Intervista
Mascha Bisping
«Ein Ort, wo sich Natur, Kunst und Wissenschaft angeregt unterhalten»
Als Mikrokosmos und Archiv des Lebendigen diente der botanische Garten seit dem 16. Jahrhundert vor allem als Laboratorium für die wissenschaftliche Forschung. Diese Rolle hat sich gewandelt: Der niederländische Kunst- und Kulturhistoriker Erik A. de Jong ist ein engagierter Fürsprecher des botanischen Gartens als Ort, der dazu einlädt, die Natur mit allen Sinnen zu erfahren. Im Gespräch erläutert er, warum er den Sammlungen heute eine eminent wichtige kulturhistorische und pädagogische Bedeutung beimisst.
Dossier 5
Jörg Matthies
Kostbarkeiten hinter Glas
Pflanzenhäuser in Schweizer botanischen Universitätsgärten
Zusammenfassung
Als Ort der Pflanzenproduktion, Forschung und Zurschaustellung seltener Gewächse sind Gewächshäuser in botanischen Gärten von grosser Bedeutung. Forschungsreisende brachten seit jeher unbekannte Pflanzen aus anderen Klimaregionen nach Europa, die hier nur in speziellen Gebäuden gedeihen konnten. In den Schweizer Botanischen Gärten ist seit dem frühen 19. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts eine charakteristische Vielfalt von Pflanzenhäusern entstanden, die parallel zu europäischen Entwicklungen in Frankreich und Deutschland verläuft. Ausgewählte Beispiele zeigen die unterschiedlichen Bautypen auf. Unter massgeblichem Einfluss der Gartendirektoren schufen regional tätige Baumeister anspruchsvolle Architektur, die jeweils den neuesten Stand der Technik repräsentierte. Im Laufe der Zeit entfernte man sich immer mehr von der klassischen Bauweise mit Wand- und Glasflächen und entwickelte komplett aus Stahl und Glas gebaute Spezialhäuser für exotische und wärmeliebende Pflanzen. Moderne Materialien sowie technische Entwicklungen bei der Stahl- und Glasproduktion ermöglichen versierten Stahlbaufirmen den Bau von gläsernen Gebäuden.
Dossier 6
Pauline Nerfin
« Jardin alpin, dites-vous ? »
« Oui mon cher, jardin alpin. Des rocailles, un chalet suisse, même on pourrait dire oberlandais, qu’est-ce que vous voulez de plus helvétique et de plus montagneux ? »
Zusammenfassung
«Alpengärten – typisch schweizerisch!»
Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erleben die Akklimatisation alpiner Pflanzen im Unterland sowie das Aufkommen der Alpinum-Steingärten einen Aufschwung. Dies vor allem dank der Genfer Botaniker Edmond Boissier und Henry Correvon. Nach 1880 entstehen im gesamten europäischen Alpenraum in der Höhe alpine botanische Gärten zu Dutzenden. Während sie anfangs rein wissenschaftliche Ziele verfolgen, ist schon bald eine vom Ästhetizismus beeinflusste Entwicklung zu beobachten. Sie dienen nun als touristische Attraktion, dem Schutz der hochalpinen Pflanzenwelt sowie pädagogischen und künstlerischen Zwecken und orientieren sich am stilistischen Repertoire der romantischen Landschaftsmalerei. Mit gewundenen Wegen, Felsformationen, kleinen Brücken und Wasserfällen sind sie aufwendig gestaltet und werden oft mit Blumengruppen, malerischen Bänken und kleinen Chaletbauten ausgeschmückt. Die auf den ersten Blick harmonisch erscheinenden Alpengärten sind von Grund auf künstlich erschaffene Landschaften, in denen jeder Stein seinen fest zementierten Platz hat.
Dossier 7
Simon Baur
«Seht her: Das ist meine Welt!»
Die Merian Gärten am Stadtrand von Basel bewegen sich am Puls der Zeit
Zusammenfassung
Die Merian Gärten am Rand der Stadt Basel werden durch verschiedene Schwerpunkte geprägt. In ihnen ist nicht nur die Landwirtschaftsgeschichte der vergangenen zweihundert Jahre zu erkennen, sie zeichnen sich auch durch Biodiversität und besondere Sortenvielfalt aus. Die Irissammlungen sind international bedeutend, die Clematis-, Pfingstrosen-, Fuchsien- und die Efeusammlungen erfreuen jährlich Tausende von Besuchern. Die Merian Gärten funktionieren auch als historisches Gedächtnis. Verschiedene Garten- und Kunstausstellungen haben dort stattgefunden, wovon auch heute noch einzelne Objekte und Orte zeugen. Im Vordergrund steht aber nach wie vor der Garten als Erlebnisort. Und dies in einer Zeit, in der die Merian Gärten von allen Seiten von der sich ausbreitenden Stadt bedrängt werden.
KdS | MAH | MAS
Die Altstadt von Grossbasel II, Profanbauten
Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt, Band VIII
Zum Kanton Basel-Stadt sind seit 1932 bislang sieben Bände im Druck erschienen. Die Bände I bis V thematisieren die Frühgeschichte der Stadt, das Stadtbild, die Befestigungswerke sowie das Rathaus, sodann den Münsterschatz und die mittelalterlichen Kirchen und Klöster Basels. Seit 1992 werden die Profanbauten der Basler Altstadt inventarisiert. Hierzu liegen die Bände zur Altstadt Kleinbasels (2004) sowie zu Grossbasel I (Münsterhügel und Talstadt rechts des Birsigs, 2006) bereits vor. Parallel zu dem nun fertiggestellten Band VIII sind zwei weitere Inventarwerke zu den mittelalterlichen Vorstädten und zum Basler Münster in Arbeit.
KdS | MAH | MAS
Die Grossstadt Zürich 1860–1940
Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich. Neue Ausgabe, Band VI
Aktuell | Actuel | Attuale
Hunderte Oasen in der ganzen Schweiz
An über 360 Orten in der ganzen Schweiz können am Wochenende vom 10. und 11. September herausragende Gärten, Parks und Plätze kostenlos besichtigt werden. Die Europäischen Tage des Denkmals 2016 präsentieren unter dem Titel «Oasen» Freiräume von historischer Bedeutung und machen so auf deren wichtige Rolle für die Gesellschaft aufmerksam.
Aktuell | Actuel | Attuale
Nicole Pfister Fetz
GSK Go
Billet de la présidente
Aktuell | Actuel | Attuale
Valérie Clerc, Valeria Frei, Sandra Hüberli, Markus Andrea Schneider
Die Schweizerischen Kunstführer
Tausend Blicke auf Architektur – tausend Nummern später
Die Serie der Schweizerischen Kunstführer wirft ein helles Licht auf das gebaute Erbe der Schweiz. Sie zählt zu den wichtigsten und auflagenstärksten Kulturpublikationen unseres Landes.
Publikationen der GSK | Publications de la SHAS | Pubblicazioni della SSAS
Schweizerische Kunstführer erster Teil 2016
Der erste Teil der Schweizerischen Kunstführer 2016 wird im September an die Abonnentinnen und Abonnenten verschickt. Dieses Mal ist ein ganz besonderer Kunstführer dabei: die Nummer 1000!
Auslandreisen | Voyages à l’étranger | Viaggi all’estero
Lissabon zum Jahreswechsel
Ausflüge nach Sintra, Coimbra und zum Arrábida-Küstengebirge
Aktuell | Actuel | Attuale
Auf den Spuren des plastischorganischen Baustils in Dornach
Tag der offenen Künstlerhäuser am Samstag, 22. Oktober 2016
Bücher | Livres | Libri
Il Palazzo Riva di Santa Margherita a Lugano e la sua quadreria