Herbstausgabe k+a

k+a 2018.3: Schulhäuser | Écoles | Edifici scolastici

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wird der Schulhausbau zu einem wichtigen öffentlichen Anliegen – die revidierte Bundesverfassung von 1874 legte den obligatorischen und unentgeltlichen Unterricht in den Primarschulen der Schweiz fest. Die Realisierung dieser Bauten war eine Herkulesaufgabe. Zugleich hatten – besonders im 20. Jahrhundert – Debatten um Bildungsreformen und die Umsetzung pädagogischer und didaktischer Ideale entscheidenden Einfluss auf die Architektur.

Im Kanton Basel-Stadt etwa führte schon 1929 das neue Schulgesetz zu einer Veränderung bei der Nutzung bestehender und der Planung neuer Schulbauten. Aktu ell ist es derselbe Kanton, der Massstäbe setzt für eine zeitgemässe Schularchitektur. Unser Autor Tilo Richter zeigt, wie Basel-Stadt im Rahmen einer Schulraumoffensive innert zehn Jahren bis 2024 fast eine Milliarde Franken in 50 bestehende und neue Schulen investiert: Der historische Bestand wird den Bedürfnissen von heute angepasst, zugleich entstehen wegweisende Neubauten – dies alles aufgrund der Anforderungen des HarmoS-Konkordats, das die Laufbahn an den Schweizer Volksschulen vereinheitlichen soll.

Faszinierend ist auch die Beziehung zwischen Schulhausarchitektur und Städtebau: Um 1900 bringt die Anordnung von Schulhäusern im Stadtgefüge vor allem deren repräsentativen Charakter zum Ausdruck. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts dann werden die gemeinschaftlichen Funktionen der Schulen immer wichtiger, ab den 1930er und 40er Jahren gewinnt der unmittelbare Bezug zur Natur an Bedeutung, und ab den 1960er Jahren dient die Stadt selbst als Modell. Sie sehen: Schulhäuser sind nicht nur gebaute Pädagogik, sondern ein ganz spezieller Beitrag zur Baukultur.

 

Essay | Essai | Saggio
Isabel Haupt
Form follows Curriculum?
Notizen zum Schulhausbau in der Schweiz

Zusammenfassung
Schulhäuser spiegeln gleichermassen den Wandel didaktischer und architektonischer Ideale wider. Die Suche nach der angemessenen architektonischen Lösung wird seit dem 19. Jahrhundert intensiv und interdisziplinär diskutiert. Wichtige Momente der Bestandesaufnahme stellen in der Debatte über den Schulhausbau in der Schweiz die Publikationen über Schulhäuser von Henry Baudin von 1907 und 1917, aber auch die Ausstellung Der neue Schulbau, die 1932 im Zürcher Kunstgewerbemuseum gezeigt wurde, und die 1933 publizierte Folgepublikation Das Kind und sein Schulhaus sowie das 1950 erstmals erschienene dreisprachige Buch The new School – Das neue Schulhaus – La nouvelle Ecole von Alfred Roth und die von ihm 1953 gestaltete Ausstellung Das neue Schulhaus sowie die 1977 vom Institut für Hochbauforschung der ETHZ gestaltete Ausstellung Schulbau in der Schweiz dar. Diese Publikationen und Ausstellungen reflektieren die sich wandelnden Anforderungen an Schulbauten und vermitteln zusammen mit zahlreichen Artikeln zu Schulgebäuden in der Fachpresse einen Überblick über den gebauten Bestand, der ein Stück Schweizer Baukultur ist.

 

Dossier 1
Tilo Richter
Neue Schulräume – Bauen und Lernen im Wandel

Zusammenfassung
Eine neue Sekundarschule von Stücheli Architekten und zwei Primarschulneubauten von Luca Selva Architekten und Lorenz Architekten stehen exemplarisch für Basels Engagement, zeitgemässen Lernformen in neu konzipierten Räumen Platz zu bieten. Daneben werden seit 2014 mehr als 50 historische Schulhäuser umgebaut und erweitert, um die Anforderungen des HarmoS-Konkordats zu erfüllen. Lernateliers und Gruppenarbeitsräume stehen dabei ebenso im Fokus wie die Verdichtung im Bestand durch individuelle Dachausbauten und die Integration von Kindergärten und Tagesstrukturen in vorhandene Schulgebäude. Das auf etwa zehn Jahre angelegte Bauprogramm dürfte in der Schweizer Bildungslandschaft einmalig sein.

 

Dossier 2
Eva Schäfer
Ein Schulhaus der «Solothurner Schule» wird saniert
Das Schulhaus Auen in Frauenfeld

Zusammenfassung
Die Schulanlage Auen des Architektenduos Alfons Barth (1913–2003) und Hans Zaugg (1913–1990) ging aus einem Projektwettbewerb im Jahr 1962 hervor. Sie wurde zunächst in den Jahren 1967–68 errichtet und 30 Jahre nach dem Wettbewerb vom gleichen Architektenteam ergänzt. Die vier Kuben mit Flachdach und Vorhangfassaden in Metall und Glas bilden ein Ensemble des modernen Schulhausbaus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie werden aktuell ertüchtigt und wiederum erweitert. Das in Umsetzung begriffene Projekt macht deutlich, dass die Erhaltung der Schulanlage und ihre Erneuerung unter Einhaltung modernster Brandschutz- und Haustechniknormen nur mit Kompromissen bei der Substanzerhaltung umsetzbar sind.

 

Dossier 3
Gilles Prod’hom, Dave Lüthi
Faire école ? Gustave Hämmerli et ses collèges lausannois

Zusammenfassung
Gustave Hämmerli: seine Lausanner Schulhausbauten
Im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts wurde in Lausanne eine erste Generation grosser, urbaner Schulhausbauten errichtet, die sich durch das allmähliche Aufkommen eines auf die Bedürfnisse der Schule ausge richteten Architekturtyps auszeichnet. Die Bauten der «modernen» Schule scheinen nach 1900 in eine zweite Generation zu münden, die wie das Collège de Montriond (1912–1915) dem Heimatstil verpflichtet ist. Vergleicht man es mit dem Collège des CroixRouges, das zwei Jahrzehnte später (1936–1938) errichtet wurde, erkennt man eine Kontinuität in den architektonischen Gestaltungsprinzipien und innovativen Einrichtungen, die bis zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs andauert. Trotz stilistischer Unterschiede zeichnen sich diese beiden Werke von Gustave Hämmerli (1880–1952), Stadtarchitekt von 1906 bis 1939, in ihrem Konzept und ihrer Anpassung an zeitgenössische Architekturströmungen durch dasselbe Streben nach Modernität aus.

 

Interview | Interview | Intervista
Mascha Bisping
«Das Schulhaus ermöglicht die erste Auseinandersetzung mit Architektur»
Ernst Strebel äussert sich im Gespräch über Schulen als identitätsstiftende Räume, in denen man sich begegnet und austauscht – und über eine Architektur, die Erfahrungen und Auseinandersetzungen ermöglicht, die es in virtuellen Welten nicht gibt.

 

Dossier 4
Simona Martinoli
Dai motti edificanti alle installazioni ludiche
Interventi artistici nelle scuole del Canton Ticino dall’Ottocento a oggi

Zusammenfassung
Kunst am Bau in Tessiner Schulen seit dem 19. Jahrhundert
Schulhäuser bilden ein besonders beliebtes Anwendungsgebiet für das Thema der Kunst am Bau. Der Beitrag bietet einen Rundgang zu den Kunstwerken in Tessiner Schulen vom 19.Jahrhundert bis heute. Die berühmten Persönlichkeiten und die erbaulichen Inschriften, welche die Schulhäuser des 19.Jahrhunderts schmückten, machten ab den 1930er Jahren einer Form von bildender Kunst Platz, welche den gleichzeitigen pädagogischen Reformen entsprach und sich damit auch direkt an die Schüler, nicht mehr an Eltern und Lehrer wandte. Zu den überzeugendsten Beispielen für die Kunst am Bau im Schulhaus sind zum einen die Beiträge zu rechnen, die in den Jahren des Babybooms durch eine vom Architekten Dolf Schnebli ausgewählte Gruppe von Künstlern im Gymnasium von Locarno realisiert wurden (1963/64), zum anderen die Figur des Uomo semisommerso (‹halbversunkener Mensch›), die von Pierino Selmoni für die von Mario Botta entworfene Scuola media von Morbio Inferiore geschaffen wurde.

 

Dossier 5
Klaus Spechtenhauser
Freudiges Lernen im Grünen
Zum BruderholzSchulhaus in Basel von Hermann Baur, 1935–1939

Zusammenfassung
«Ein Paradies für die Jugend», titelte das Basler Volksblatt im April 1939 zur Eröffnung des Bruderholz-Schulhauses in Basel. Der Basler Architekt Hermann Baur (1894–1980) hatte hier dank der Aufgeschlossenheit der lokalen Behörden erstmals in der Schweiz den Pavillontypus in einer grösseren Anlage umsetzen können, quasi als verspätetes Manifest der programmatischen Forderungen des Neuen Bauens für eine grundlegende Neuausrichtung im Schulbau. Ein Rückblick verdeutlicht Zusammenhänge, Baugeschichte und Bedeutung des Bruderholz-Schulhauses.

 

Dossier 6
Marco Di Nallo
Schule und Stadt
Die Rolle der Schulhausarchitektur im Städtebau

Zusammenfassung
Die Schulhausarchitektur bietet nicht nur die Bühne für einen gesellschaftlichen Mikrokosmos, sondern sie bringt jeweils auch eine bestimmte Auffassung des öffentlichen Raums zum Ausdruck. Die Debatte zur Schulhausarchitektur steht so in engem Zusammenhang mit der Städtebautheorie, welche den Schulhausbau im breiteren Kontext der Stadtentwicklung verankert, die ihrerseits wiederum mit der wirtschaftlichen Situation, dem Bevölkerungswachstum und den gesellschaftlichen Entwicklungen ganz allgemein zusammenhängt. Brachte die Anordnung von Schulhäusern im Stadtgefüge um 1900 vor allem deren repräsentativen Charakter zum Ausdruck, gewann im Lauf des 20. Jahrhunderts die gemeinschaftliche Funktion der Schule zunehmend den Vorrang. In den 1930er und 40er Jahren lag das Ziel dabei im direkten Bezug zur Natur, der man eine pädagogische wie auch gesellschaftliche Bedeutung zuschrieb; von den 1960er Jahren an diente schliesslich die Stadt selbst als Modell: Korridore wurden konzeptionell zu Strassen, Lauben oder Plätzen, das heisst zu jenem räumlichen Gewebe, dem man gern eine gesellschaftsbildende Funktion zuschreibt.

 

KdS | MAH | MAS
Zita CaviezelRüegg, Matthias Walter
Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern, Land IV
Der ehemalige Amtsbezirk Aarberg

 

KdS | MAH | MAS
Ursula Schneeberger, Richard Buser, Irène Bruneau, Maria D’Alessandro, mit Beiträgen von Katrin Kaufmann, Marianne Progin Corti, Daniela Schneuwly, Stephan Steger
Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern, Land V
Der ehemalige Amtsbezirk Wangen

 

KdS | MAH | MAS
Regine Abegg, Peter Erni
Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau IX
Zwischen Bodensee und Bürglen

 

Aktuell | Actuel | Attuale
Ferdinand Pajor
Zur Pensionierung von Thomas Bolt
Der goldene Mittelweg des Lektors

 

Aktuell | Actuel | Attuale
Europäische Tage des Denkmals 2018
Kulturerbe kennt keine Grenzen

 

Aktuell | Actuel | Attuale
Nicole Bauermeister, directrice de la SHAS
Billet de la direction
Wissensvermittlung

 

Auslandreisen | Voyages à l’étranger | Viaggi all’estero

  • Streifzüge durch Florenz
    und Ausflug zum Campo dei Miracoli in Pisa
  • Synthese der Gegensätze – Palermo
    Sakrale und weltliche Perlen zum Jahreswechsel

 

Ausstellungen | Expositions | Esposizioni
Vom Zauber der Antike: Carl Burckhardt im Museo Vela

 

Bücher | Livres | Libri

  • Pavillonschule Hellmatt, Möriken-Wildegg AG
  • Architektur der Moderne und Denkmalpflege

 

Impressum | Impressum | Colophon

🙂

Preis: CHF 25.00

GSK-Mitgliederpreis: CHF 17.00

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Abbildungen: 124

Seitenzahl: 88

Reihe: Kunst + Architektur

Ort: Schweiz / Suisse / Svizzera

Autoren: Diverse

Artikelnummer: K+A-2018.3

Bandnummer: 69. Jahrgang, 3.2018

Inhaltssprache: Deutsch, Französisch, Italienisch

Erscheinungsdatum: 03.09.2018

ISBN: 978-3-03797-344-8

Verlag: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte

 
Erhältlich im Webshop der GSK.